Erinnerung an einen Wohltäter/ Seine Projekte leben auch heute weiter /von Siegfried Thiel - ein Zeitungsartikel in der Banater Zeitung
Einst, als Arbeitnehmer an der Schule für Kinderkrankenpflege und Heilpädagogik, ins Leben gerufen von der Staatskanzlei aus Nordrhein-Westfalen, ging ich etwa zehn Minuten vor Dienstschluss weg. Vom ersten Stockwerk des damals neuen Gebäudes hörte ich: „Sie können natürlich frühzeitig weg, Sie sind ja Lehrer, ich als Direktor muss noch bleiben“. Mit diesem diskreten aber deutlichen Hinweis veranlasste er mich, nie mehr früher die Schule zu verlassen. So war er eben, Hubertus Gollnick, den der ehemalige Staatssekretär aus Düsseldorf, Albert Harms, „einen Glücksfall für Rumänien“ nannte. Er war ein Glücksfall – als Ansprechpartner für die Versender von Spenden und Hilfskonvois. Auch die Schule, mit ihren neuen Berufsbildern in Sachen Kinderkrankenpflege und Heilpädagogik, brauchte einen Direktor, der die neuen Konzepte umzusetzen vermochte. Auch heute noch leisten Absolventen dieser Schule gute Arbeit in Heimen und Kliniken.
Dass Gollnick wahrhaftig dieser Glücksfall war, zeigen die eineinhalb Jahrzehnte, in denen er in Temeswar verblieb, sich hier eine zweite Heimat fand und bestimmt mehrere Millionen D-Mark (später Euro) auf eigene Faust im Ausland - vor allem aus Deutschland und den Niederlanden - verschaffte, die er dann für seine Projekte in Rumänien, vorwiegend im Kreis Tatmensch, für Kinder und Familien in Not ausgab. Als der Verein „Hilfe für Rumänien“ seine Aufgabe praktisch erfüllt hatte und seine Tätigkeit nach und nach einstellte, gründete Gollnick einen eigenen Verein. Mit „Hilfe für Kinder“ setzte er die Hilfsprojekte fort. „Hilfe für Kinder“ entsprach als Bezeichnung vom Profil her noch besser zu Gollnicks Idealen, denn die Spenden sollten ja im Endeffekt Kindern zugutekommen. Der Fokus war vor allem auf den Kreis Temesch gerichtet. Unterdessen hatte sich nämlich die Problematik diversifiziert. Die staatlichen Großheime waren noch nicht restlos umstrukturiert und hatten noch immer ihre Nöte. Auch die neu gegründeten Kleinheime hatten über weite Strecken ihre Sorgen und die privaten Einrichtungen waren nicht immer entsprechend eingerichtet. Neue Konzepte mussten her, denn „Jugendliche aus den Heimen werden nach dem 18-ten Lebensjahr aus dem Heim entlassen, haben keine Wohnung, kein Geld und auch nicht ausreichende Kenntnisse, um selbstständig zu wirtschaften“, pflegte Hubertus Gollnick auf die Problematik hinzuweisen. So flossen seine Spenden in die Ausstattung von Werkstätten, in Kochkurse in den Heimen, „denn heimentlassene Jugendliche sollen wissen, dass man die Kartoffel, die auf den Tisch kommt, zunächst kaufen und auch schälen muss“. Sein Vorzeigeprojekt „Betreutes Wohnen für heimentlassene Jugendliche“, setzt seine Frau, Mechild Gollnick, heute genauso fort, wie die Kochkurse für Heimkinder und –jugendliche. Sie hatte sich bereits lange vor dem Tod ihres Gatten – als damalige Oberstudienrätin - ohne Bezüge beurlauben lassen, um sich ebenfalls komplett der Unterstützung von Kindereinrichtungen und notleidender Familien zu verschreiben.
„Die Not nicht mit dem Maul, sondern mit den Händen anfassen“, nach diesem Leitmotiv arbeitete und lebte Hubertus Gollnick. Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi hatte es ihm mit seiner Philosophie angetan. Und Gollnick kannte die Not. Eine kinderreiche Familie, in schweren Zeiten, das prägte ihn wohl von klein auf. Später, 22 Jahre als Heimleiter in Deutschland, als Pädagoge und Psychologe, sollte er die Situation in den Einrichtungen in Deutschland kennen lernen. Mit all dieser Erfahrung kam er nach Rumänien, vermittelte sein Wissen an Schüler, Mitarbeiter und Institutionen und bemühte sich finanziell auszuhelfen. Als Ehrenbürger von Temeswar und auch als Berater des damaligen Kreisratspräsidenten in Sachen Kindesschutz fand Hubertus Gollnick vielerorts ein offenes Ohr für seine Hinweise zur Heimreform, zur fachlichen Betreuung und zur Berufsbildung der Kinder. „Die Situation der staatlichen Kinderheime hat sich mittlerweile finanziell gebessert. Daher ist dort nur noch Hilfe für gezielte Projekte notwendig; Kochkurse, Ferienlager, Unterstützung von Freizeitaktivitäten“, sagt heute Mechtild Gollnick. Bedürftige Familien sind weiterhin auf Hilfe angewiesen – für den Lebensalltag, für größere Ausgaben, für Baumaßnahmen und seit Monaten auch für besondere Notsituationen, hervorgerufen durch die Corona-Pandemie.
Kirchengemeinden, Stiftungen, Privatpersonen aus Westeuropa - all sie waren und sind seit drei Jahrzehnten Unterstützer der Hilfsprojekte von Familie Gollnick. Auch bei den Hilfen für Familien in Not vergaben und vergeben Hubertus und Mechtild Gollnick nicht wahllos Geld, wenn das Risiko besteht, dass die Summe zweckentfremdet wird. Deshalb kaufen sie oft selbst Winterholz oder Lebensmittel und liefern dies eigenhändig ab. „Jeden Tag einem Kind ein Lächeln abringen zu können“, fanden sie schon immer als Lebensaufgabe. Genauso wichtig ist es für sie, dass Kinder das Notwendigste haben, um eine Schule besuchen zu können um später bessere Chancen im Leben zu haben. Zu den Schwerpunkten des Vereins gehören heute auch die Übernahme von Reise- und Internatskosten für bedürftige Schüler vom Land sowie Hausaufgabenbetreuungen für lernschwache Schüler. Besonders gut liefe die Zusammenarbeit mit rumänischen Sozialarbeitern, die oft ehrenamtlich Kindern helfen, Familien beraten und gewissenhaft mit Spendengeldern umgehen, so Mechtild Gollnick.
Einmal erhielt Hubertus Gollnick von einem Spender fünf D-Mark. Er versandte an diesen eine Quittung über genau die gleiche Summe, um die er Früchte für eine Familie gekauft hatte. Dazu verschickte er ein Foto, in einem Umschlag an den Spender. Der Kostenaufwand dürfte höher gewesen sein, als die gespendete Summe. Foto, Versandkosten und Treibstoff zum Nutznießer, das sei sein eigener Beitrag für seine caritative Tätigkeit, sagte Gollnick. Wenige Wochen später sandte der Spender mehrere Hundert Mark an Gollnick. Er hatte sich von der Art der Spendenverwaltung begeistern lassen. Wiederholt machte Gollnick ähnlich gute Erfahrungen.
Hubertus Gollnick war nach der Wende, zum ersten Tag der Deutschen Einheit nach Rumänien gekommen, und er sollte bleiben. Vierzehn Jahre später, als er im Alter von 78 Jahren verstarb, hatte er in Temeswar ein Haus gekauft, sich in - für seinen Status - recht bescheidenen Verhältnissen in einem Randviertel von Temeswar niedergelassen. Dass er seine Frau Mechtild bereits Jahre zuvor für die anspruchsvolle Hilfstätigkeit hatte gewinnen können, war möglicherweise eine Langzeitstrategie, aber er hatte in ihr auch einen einfühlsamen Partner an seiner Seite, der nicht nur die Projekte des Hilfsvereins übernahm, sondern diese Arbeit so akribisch nachmacht, dass sie selbst zur Ehrenbürgerin von Temeswar wurde und mit ihren alten und neuen Hilfsprojekten dafür sorgt, dass der Name Gollnick nun schon über Generationen ein fester Begriff in Heimen und Kliniken des Kreises Temesch geworden ist.